Fachkräftepotenziale von Zuwanderern

Zuwanderer nach Deutschland sind häufig hoch qualifiziert – und damit ein Gewinn für den deutschen Arbeitsmarkt zur Behebung des Fachkräftemangels. Allein in der Gruppe der Flüchtlinge besitzt jeder fünfte einen akademischen Abschluss. Doch ihre Integration in den deutschen Arbeitsmarkt verläuft schleppend.

2013 zogen etwa 1,2 Millionen Personen dauerhaft nach Deutschland – ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Menschen – unter ihnen auch rund 110.000 Flüchtlinge – können für den deutschen Arbeitsmarkt von großer Bedeutung sein: Unter den Zuwanderern gibt es immer mehr akademische Fachkräfte und Jugendliche mit Hochschulzugangsberechtigung. Seit 2005 liegt der Akademikeranteil unter den ankommenden Zuwanderern deutlich über dem Mittelwert der einheimischen Bevölkerung. Während der Bundesdurchschnitt an Hochschulabsolventen bei 18,7 Prozent liegt, erreicht der Anteil der Hochschulabsolventen unter den Zuwanderern 2011 mehr als 33 Prozent.

Die Zuwanderer mit Hochschulabschluss bringen zudem überdurchschnittlich häufig für den deutschen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen mit, zum Beispiel Fachkenntnisse in den MINT-Fächern. Den zuletzt veröffentlichten Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zufolge hatten 2011 rund 10 Prozent der Zugewanderten Fachkenntnisse im MINT-Bereich, während der Bundesdurchschnitt nur bei rund 6 Prozent lag. Zuwanderer können als strategischer Talentpool einen Teil dazu beitragen, die Nachfrage global agierender Unternehmen und Organisationen in Deutschland nach Fachkräften zu decken.

Herausforderung Anerkennung

Zuwanderer haben oft einen hohen Bildungsstand. Dieses Potenzial wird jedoch zu wenig genutzt, denn ausländische Qualifikationen werden häufig nicht anerkannt. 39 Prozent der Zuwanderer mit Hochschulzugangsberechtigung bleibt ein Zugang zu deutschen Hochschulen verwehrt (2012). Grund dafür sind meist strenge und unflexible Kriterien für eine direkte Anerkennung von ausländischen Hochschulzugangsberechtigungen, die teilweise politischer Logik jenseits tatsächlich vorhandener Studierfähigkeiten folgt. Zum Beispiel berechtigte das bulgarische Abitur nicht dazu, an einer deutschen Hochschule direkt zu studieren, da das qualitative Niveau für zu niedrig erachtet wurde. Mit der Aufnahme des Landes in die EU 2007 änderte sich dies, da alle EU-Länder ihre Hochschulzugangsberechtigungen untereinander anerkennen.

Große Fortschritte wurden in den vergangenen Jahren allerdings im Bereich der Anerkennung von erfolgreich absolvierten Hochschulabschlüssen erzielt. 2006 haben die deutschen Hochschulen noch knapp 60 Prozent der Hochschulabschlüsse ausländische Akademiker (aus Ländern innerhalb und außerhalb der EU) nicht anerkannt. Durch zuwanderungsfreundliche Gesetzesänderungen ging diese Zahl auf 25 Prozent im Jahr 2012 zurück.

Flüchtlinge als Potenzialträger

In der Gruppe der Zuwanderer nach Deutschland finden sich auch immer mehr hoch qualifizierte Flüchtlinge: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit haben rund 20 Prozent der Asylbewerber einen Hochschulabschluss sowie 30 bis 35 Prozent einen Abschluss, der dem des deutschen Facharbeiters entspricht. Dennoch werden bisherige Studienleistungen oder Qualifikationen in Deutschland selten anerkannt. Die größten Probleme sind die fehlende Erfassung sowie ein Mangel an Transparenz: Notwendige Informationen zu Bildungshintergrund und -stand, die einen schnellen Übergang in den Arbeitsmarkt oder an eine deutsche Hochschule ermöglichen könnten, werden bei der Einreise nicht erhoben. Die Erfassung von möglichen Fachkräftepotenzialen und sinnvolle, kurzfristige Maßnahmen, diese in das Hochschulsystem oder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind dadurch kaum möglich. Hier ist man derzeit auf Modellversuche und Unternehmen angewiesen, die mit innovativen Ansätzen für berufliche Integration von Flüchtlingen vorangehen.

Beispiel Siemens: Der Technologiekonzern beschäftigt an ausgewählten Standorten gezielt hoch qualifizierte Flüchtlinge, zunächst als Praktikanten, um sie in einem nächsten Schritt als Fachkräfte und darüber hinaus weiterzuentwickeln. Beispiel Bundesagentur für Arbeit: Im vergangenen Sommer startete die Behörde ein Modellprojekt mit 500 Flüchtlingen, deren Fähigkeiten und Potenziale für den Arbeitsmarkt in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgewertet werden. Wer entsprechend qualifiziert ist, kann Programme zur gezielten Sprachförderung und gegebenenfalls zu weiterer beruflicher Qualifizierung in Anspruch nehmen. Auf diese Weise können vorhandene Potenziale in der Gruppe der Flüchtlinge kurzfristig aktiviert und genutzt werden.

Empfehlungen

Um das große Potenzial hoch qualifizierter Zuwanderer zu nutzen und sie besser in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren, sollten zwei Maßnahmen ergriffen werden:

  1. Transparenz über Bildungspotenzial: Die Außenstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge oder die Ausländerbehörden sollten möglichst direkt nach der Einreise Transparenz über die Qualifikationen der Flüchtlinge schaffen (zum Beispiel Hochschulzugangsberechtigung, bisheriges Studium, berufliche Qualifikationen), unter anderem durch die flächendeckende Einführung von standardisierten Leistungstests.
  2. Bildungsangebote für Flüchtlinge: Bereits in den ersten Wochen nach ihrer Ankunft sollten Flüchtlinge, nach Feststellung ihrer Absichten und Bedürfnisse, durch gezielte Lernangebote (zum Beispiel zu Sprache und Kultur) auf eine berufliche Tätigkeit oder auf eine akademische Ausbildung vorbereitet werden. Dies sollte über den Ausbau der Studienkollegs und über flexible Lernformen (zum Beispiel Online-Learning und distance learning) geschehen.

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