Regional statt global

Lehramtsstudierende profitieren besonders von einem Auslandsstudium. Trotzdem gehen sie deutlich seltener ins Ausland als Studierende anderer Fächer.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren weist einen Migrationshintergrund auf (Statistisches Bundesamt 2014). Für viele Lehrer ist der Umgang mit Diversität im Klassenzimmer, was kulturelle, religiöse und sprachliche Dimensionen anbelangt, eine tägliche Herausforderung. Ziel der Lehrerbildung soll es sein, Lehrer zum Umgang mit internationaler Diversität ebenso zu befähigen wie zum Umgang mit anderen Formen von Diversität (Inklusion, gendersensibler Unterricht usw.).

Absolventen schätzen Auslandsaufenthalte

Lehramtsanwärter schätzen einen Auslandsaufenthalt während ihres Studiums als wichtiger für ihren späteren Beruf ein als andere Studierende. In Umfragen unter Absolventen gibt knapp jeder zweite frühere Lehramtsstudierende an, die Zeit in der Ferne habe ihn stark oder sehr stark auf die Berufstätigkeit vorbereitet. In anderen Fächern trifft dies deutlich seltener zu: Unter allen Studierenden sieht nur jeder dritte im Auslandsaufenthalt eine gute Vorbereitung auf den künftigen Job. Ein Studium im Ausland, so die Lehramtsabsolventen, ermögliche nicht nur, die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit anderen Kulturen zu schärfen, sondern auch, neue Lehransätze und -modelle kennenzulernen und vor diesem Hintergrund eigene Vorgehensweisen zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Ein Auslandsstudium trägt bei Lehrern außerdem besonders zur Persönlichkeitsbildung bei: 71 Prozent der Absolventen sagen, sie würden ihre eigenen Stärken und Schwächen durch den Auslandsaufenthalt besser kennen.

Lehramtsstudierende sind wenig mobil

Angesichts dieser Vorteile überrascht es umso mehr, dass Lehramtsstudierende während ihrer Zeit an der Hochschule weitaus seltener ins Ausland gehen als andere Kommilitonen ins Ausland gehen. Während mittlerweile etwa 36 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler Erfahrungen in fremden Ländern sammeln, zieht es nur 23 Prozent der zukünftigen Lehrer an ausländische Hochschulen. Bei Lehramtsstudenten, die später Sprachen unterrichten, ist der Anteil mit rund 65 Prozent überdurchschnittlich hoch, aber nur jeder vierte zukünftige Biologielehrer und nur jeder siebte Kunstlehrer in spe sammelt Auslandserfahrung. Besonders bedenklich ist die Entwicklung, dass das Interesse der Studierenden an Auslandsaufenthalten kontinuierlich sinkt. Während 2009 39 Prozent der Lehramtsstudierenden kein Interesse an einem Auslandsaufenthalt zeigten, waren es 2013 rund 47 Prozent.

Hohe Hürden für einen Auslandsaufenthalt

Woran liegt es, dass Lehramtsstudierende selten ins Ausland gehen? Die Heidelberger Professorin Anne Sliwka stellte 2013 in einer Analyse für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) fest, dass der Lehramtsberuf »überdurchschnittlich oft von Risikoaversen gewählt« wird (DAAD 2013) und dass dies zu einer geringen Auslandsmobilität beiträgt. Jenseits solcher mentalen Hürden, die von außen nur schwer beeinflussbar sind, gibt es ganz konkrete Gründe, die verhindern, dass sich Lehramtsstudierende häufiger für ein Auslandsstudium entscheiden: erstens die straffe, stark strukturierte und durchgetaktete Studiengangkonzipierung und zweitens die mangelnde Honorierung internationaler Qualifikationen.

Auslandserfahrungen sind bisher selten fester Bestandteil der Studiengänge – an keiner deutschen Hochschule ist der Auslandsaufenthalt für Lehramtsstudierende über alle Fächer hinweg standardmäßig vorgesehen. Bei 36 Prozent der Studiengänge für das Gymnasiallehramt ist immerhin in speziellen Fächern, insbesondere Sprachen, ein Auslandsaufenthalt vorgeschrieben. Der Auslandsaufenthalt auf Eigeninitiative als Alternative für einen hochschulseitig organisierten Austausch wird häufig durch inhaltlich und organisatorisch stark verdichtete Praxisphasen und das Mehrfächerstudium an verschiedenen Fakultäten erschwert. Hier gilt es, Mobilitätsfenster als festen Bestandteil des Curriculums zu schaffen. Denkbar wären darüber hinaus Assistant-Teacher-Programme zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudium, am besten nach einem polyvalenten Bachelorstudiengang und vor einem Master-of-Education-Programm.

Geringer Nutzen für den Berufseinstieg

Doch nicht nur die Studienganggestaltung erschwert oft das Auslandsstudium, auch der geringe Wert für den späteren Karriereweg steht einer Entscheidung für den Schritt ins Ausland entgegen. Obwohl vielerorts das Angebot an Lehrkräften den Bedarf übersteigt, verschafft Auslandserfahrung in diesem Wettbewerb keinen Vorteil. Die Einstellungspraxis des staatlichen Schulsystems bietet bis heute keine Bonuspunkte für angehende Lehrer, die während ihres Studiums im Ausland waren, so wie es in der Wirtschaft bei Einstellungen üblich ist. Es verwundert deshalb nicht, dass rund 29 Prozent der Lehramtsstudierenden angeben, geplante Auslandsaufenthalte ausfallen zu lassen, da sie keinen Nutzen für ihren späteren Beruf erkennen. Bei den Studierenden insgesamt sind es nur 17 Prozent. Es sollten daher Möglichkeiten gefunden werden, Auslandserfahrungen in Einstellungsverfahren für Lehrkräfte ein Gewicht zu geben.

Empfehlungen

Um zukünftige Lehrer besser auf ihren Beruf vorzubereiten, sollte die Auslandsmobilität im Studium deutlich erhöht werden. Um dies zu erreichen, sollten …

  1. Hochschulen zusammen mit den Kultusministerien Auslandsaufenthalte verstärkt in den Curricula verankern – sowohl für Theorie- als auch für Praxisphasen.
  2. Schulen Auslandsaufenthalte bei der Stellenvergabe stärker honorieren.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von